Urteil des BGH vom 20.03.2018, XI ZR 309/16, zur Unwirksamkeit des Aufrechnungsverbotes in AGB-Banken könnte auch zur Widerruflichkeit tausender Verträge führen

Inhaltsverzeichnis

Der BGH stellte in seiner weit beachteten Pressemitteilung vom 20.03.2018 fest, dass die in nahezu allen AGB deutscher Banken und Sparkassen anzutreffende Klausel zum Aufrechnungsverbot unwirksam ist. Die Entscheidung fand zwar weitreichende Aufmerksamkeit, allerdings werden deren Konsequenzen möglicherweise dramatisch unterschätzt. Denn der BGH führt nicht nur aus, dass eine solche Beschränkung den Verbraucher unangemessen benachteilige, sondern insbesondere auch dessen Recht zum Widerruf unzulässig erschwert werde.

In nahezu allen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen findet sich regelmäßig folgende bzw. eine sinngemäße Bestimmung: „Der Kunde kann gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind.“ Durch diese Regelung wird die Aufrechnung eines Kunden, die dem Grunde nach nur eine fällige und gleichartige, auf Geldzahlung gerichtete Forderung voraussetzt, deutlich auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen eingeschränkt.

Bestreitet eine Bank daher das Bestehen einer Forderung des Kunden, soll dieser daran gehindert sein, die Aufrechnung zu erklären, was letztlich die Rückführung von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank erschwert. Gerade dann, wenn – wie zuletzt sehr häufig – zwischen Bank und Kunde die Wirksamkeit eines Widerrufs in Streit steht, wird hierdurch auch die Ausübung des Widerrufs erschwert. Der Kunde bräuchte faktisch eine weitere Finanzierung des vollen Darlehensbetrages zzgl. aller bisher angefallenen Zinsen, um seine Verpflichtungen nach einem Widerruf zu erfüllen; die Entscheidung ist daher sehr zu begrüßen und richtig, geht aber nach unserer Auffassung über ihren vordergründigen Inhalt weit hinaus.

Die Klausel ist nämlich nach der Pressemitteilung des BGH geeignet, das Widerrufsrecht des Kunden zu erschweren. Damit ist aber dann nicht nur die Klausel, sondern auch die Widerrufsbelehrung im Vertrag angreifbar. Die gebotene Gesamtschau aller vertraglicher Vereinbarungen, zu denen auch die AGB der Banken gehören, lässt nämlich den – gesetzeswidrigen – Schluss zu, dass es dem Kunden verwehrt sei, seine Verpflichtungen nach dem Widerruf mittels einer Aufrechnung zu erfüllen. Der Kunde könnte angesichts dieser Umstände davon abgehalten werden, einen Widerruf zu erklären und von diesem insgesamt Abstand nehmen.

Das sogenannte Deutlichkeitsgebot soll den Verbraucher aber gerade vor solchen Einwirkungen schützen, weshalb das Urteil des BGH eine weit über den zunächst offensichtlichen Inhalt hinausgehende Bedeutung haben könnte. Die sonst regelmäßig anzutreffende Argumentation der Banken, sie könnten sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der vom Gesetzgeber vorgegebenen Musterwiderrufsinformationen berufen, würde den Banken nicht helfen. Die einschlägigen Musterwiderrufsinformationen sehen gerade kein Aufrechnungsverbot vor, sodass eine solche Klausel nach unserer Auffassung auch die Gesetzlichkeitsfiktion in Frage stellt.

Für Darlehensnehmer könnte die Entscheidung des Bundesgerichtshofes daher ein Paukenschlag sein. Nach unseren Erfahrungen aus der Sichtung von tausenden Darlehensverträgen befindet sich eine entsprechende Klausel in nahezu allen Vertragswerken deutscher Banken und Sparkassen. Da bei Neuverträgen seit dem 11.06.2010 die Erlöschensvorschrift des Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB unzweifelhaft nicht eingreift, könnten tausende Verbraucher ihre Verträge daher auch heute noch wirksam widerrufen.

Darlehensnehmer sollten ihre Finanzierungen daher durch einen auf dem Gebiet des Bankrechts fachkundigen Rechtsanwalt sorgfältig prüfen lassen, wenn sie von der Möglichkeit eines regelmäßig wirtschaftlich vorteilhaften Widerrufs Gebrauch machen möchten.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit einer kostenlosen und unverbindlichen Ersteinschätzung an.

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