Bekanntermaßen bestätigte der BGH mit Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, dass Käufern von Dieselfahrzeugen mit EA189-Motoren Schadensersatzansprüche gegen VW wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zustehen. Damit ist die Rechtslage grundsätzlich geklärt. Viele Betroffene, die bislang noch nichts unternommen haben, ärgern sich und glauben, dass es jetzt zu spät sei. Dies ist jedoch ein Irrglaube! Nach unserer Rechtsauffassung, die jetzt auch durch eine aktuelle Entscheidung des LG Bamberg vom 03.11.2020, 42 O 157/20, bestätigt wurde, können Geschädigte vielmehr auch im Jahr 2020 noch erfolgsversprechend klagen.
Entgegen der nahezu einhelligen öffentlichen Meinung sind Schadensersatzansprüche auch für Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 mit Nichten bereits mit Ablauf des 31.12.2019 verjährt. Vielmehr können diese auch im Jahr 2020 noch erfolgversprechend durchgesetzt werden. Dies zeigt nunmehr auch eine aktuelles, durch unsere Kanzlei erstrittenes Urteil des LG Bamberg vom 03.11.2020, 42 O 157/20.
Streitgegenständlich in dem Verfahren vor dem LG Bamberg war der „berüchtigte“ Motor des Typs EA189, bei welchem der Bundesgerichtshof ja die Haftung von VW festgestellt hat. Die Klage gegen VW wurde nach Mandatierung der Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner im Jahr 2020 eingereicht, wobei es zuvor keine verjährungshemmenden Maßnahmen gab. Insbesondere hatte sich der Kläger nicht an der VW-Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig beteiligt. Daher erhob VW die Einrede der Verjährung. Hierbei verwies VW wie in sämtlichen Schadensersatzprozessen pauschal auf ein „Bekanntwerden des VW-Abgasskandals“ im September 2015, so dass die Ansprüche wegen der dreijährigen Verjährungsfrist angeblich bereits mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt gewesen seien.
Auch vor dem LG Bamberg vertraten wir demgegenüber ganz entschieden die Auffassung, dass die Mitteilungen des VW-Konzerns Ende 2015 über „Unregelmäßigkeiten“ bei Dieselmotoren des Typs EA 189 nicht geeignet sind, die Verjährung auszulösen. Dies wurde bereits in zwei durch uns geführten Verfahren vor dem LG Nürnberg-Fürth bestätigt. In seinen Urteilen vom 27.11.2019, Az.: 9 O 3056/19 und vom 28.11.2019, Az.: 9 O 4197/19, entschied das Landgericht, dass Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG nicht verjährt sind.
In seiner aktuellen Entscheidung vom 03.11.2020, 42 O 157/20, stellte jetzt auch das LG Bamberg klar heraus, dass die Verjährungseinrede von VW ins Leere geht, obgleich die Klage erst im Jahr 2020 eingereicht worden war. Die Volkswagen AG wurde daher erneut zur vollständigen Rückabwicklung verurteilt. Das Landgericht folgt damit unserer Rechtsauffassung vollständig. Die Entscheidung ist bahnbrechend. Denn nach unserem Kenntnisstand gibt es im gesamten Bundesgebiet bislang nur wenige Entscheidungen, die explizit klarstellen, dass Schadensersatzansprüche grundsätzlich nicht bereits Ende 2019 verjährt sind.
Grundsätzlich gilt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), die gemäß § 199 Abs.1 Nr. 2 BGB ab der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen beginnt. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit auf Seiten der Volkswagen AG. Danach müsste VW konkret dazu vortragen, aus welchen Gründen Betroffene hätten wissen müssen, dass ihr Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist. Dies ist VW nach der zutreffenden Auffassung des LG Bamberg nicht gelungen. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis des dortigen Klägers verneint das Gericht, nachdem der Kläger auch im Jahr 2016 noch nicht sicher abschätzen konnte, ob sein Fahrzeug überhaupt von der Umschaltlogik betroffen ist bzw. ob und inwieweit sich hieraus Ansprüche seinerseits ergeben.
Zwar hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn in der Tat „Unregelmäßigkeiten“ bei Dieselmotoren eingeräumt; daraus lässt sich nach unserer Auffassung aber sicherlich nicht einfach ableiten, dass sich Käufern zu den durch VW behaupteten Zeitpunkten Tatsachen aufdrängen mussten, die eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begründen. VW möge sich doch einmal ernsthaft die Frage stellen, wieso ein Kunde Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Verwicklung des Vorstands in die Abgasmanipulationen gehabt haben soll, wohingegen der Konzern in allen anhängigen Zivilverfahren bis heute die Kenntnis der Vorstandmitglieder abstreitet. Dies sah im Übrigen auch das LG Hildesheim in seinem Urteil vom 09.10.2020, 4 O 300/19, so und sprach dem dortigen Kläger ebenfalls einen nicht verjährten Schadensersatzanspruch gegen die Volkswagen AG zu.
Es zeigt sich also, dass auch Betroffene des VW-Skandals, die bislang noch keine gerichtlichen Maßnahmen ergriffen haben, nicht zögern sollten, ihre Ansprüche durchzusetzen. Betroffene müssen sich beeilen, um am Ende nicht doch mit leeren Händen dazustehen. Für Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ist der 31.12.2020 ein wichtiger Stichtag. Denn bereits zum Jahresende drohen Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB gegen VW im Zusammenhang mit dem Dieselskandal zu verjähren.
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